Das Jahr 2020 begann mit einer Neuerung, die noch gar nichts mit der uns bald und nach wie vor in Atem haltenden Pandemie zu tun hatte: die Museen in der Böttcherstraße wurden aus der sie bislang tragenden Böttcherstraße GmbH ausgegliedert und gewissermaßen in die Eigenständigkeit entlassen. Ein großer nicht nur organisatorischer und finanzieller Schritt, von dem wir uns eine Stärkung der Marken Paula Modersohn-Becker Museum und Ludwig Roselius Museum erwarteten. Ich hatte im Januar noch nicht ahnen können, dass das Jahr auch weitere Änderungen bringen sollte.
Mit dem ersten Lockdown im März stand plötzlich die gesamte Jahresplanung auf dem Prüfstand. Im Herbst sollte eine umfangreiche Themenausstellung eröffnet werden, die ich nun vorerst nicht mehr realisierten konnte und verschieben musste. Am Schlimmsten war die Ungewissheit, wie lange die Schließung dauern würde und wie die Museen allgemein mit dieser Situation umgehen sollten. Die leeren Räume wirkten irreal und einsam. Die damals aktuelle Sonderausstellung zu Maria Lassnig war gerade erst drei Wochen alt und nun schon wieder geschlossen. Uns allen ist nochmals und verstärkt bewusst geworden, dass Kulturinstitutionen Orte der Begegnung und des Dialogs sind, die nun fehlten.
Im Mai war es dann soweit – endlich durften wir wieder öffnen. In dieser Zeit haben wir alle viel gelernt und am Ende Lösungen gefunden, die wenigstens über den Sommer fast Normalität brachten. Doch viele Fragen begleiteten uns das ganze Jahr weiter und sind noch immer aktuell: Wie konnte man Führungen, Vorträge, Lesungen ersetzen? Wie die Kunst vermitteln, wenn keine Veranstaltungen stattfinden dürfen? Digitalisierung war schon vorher ein Thema, aber jetzt gewann sie plötzlich rasant an Bedeutung.
Um durch diese Monate zu kommen hat mir persönlich die Arbeit an unserer von Corona ‚inspirierten‘ und im September eröffneten Ausstellung „Berührend“ geholfen. Es hat viel Spaß gemacht, sich in dieses spannende Thema zu stürzen und zu merken, wie viele Menschen, von Leihgebern bis Experten für das Magazin, uns begeistert geholfen haben. Unser gesamtes Team wurde von diesem Sog mitgezogen und so ist es ein tolles Gemeinschaftsprojekt geworden, über dessen rege mediale Resonanz wir uns gefreut haben. Mir und wie ich denke vielen Menschen ist trotz aller Beschränkungen und Ängste positiv bewusst geworden, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, weltweit, und nur gemeinsam zu Lösungen gelangen können.
Diese Erkenntnis hilft nicht nur bei einer Pandemie, sondern auch angesichts vieler anderer wichtiger Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit von Ressourcen. Über die Frage, was das alles mit uns und, in meiner Branche, mit den Museen macht, entstehen gerade spannende Diskurse. Nun freue ich mich darauf, dass diese und andere Orte der Begegnung hoffentlich bald wieder öffnen können. Und das sage ich nicht nur als Verantwortlicher für eine dieser Institutionen, sondern rein egoistisch als Nutzer, der so gerne wieder in Theater, Konzerte und Ausstellungen gehen möchte.
- Dr. Frank Schmidt
Dr. Frank Schmidt ist seit Februar 2016 Direktor der Museen Böttcherstraße. In dieser Zeit war er Kurator vieler erfolgreicher Ausstellungen wie »Emil Nolde trifft Paula Modersohn-Becker«, »Ich bin ich. Paula Modersohn-Becker - Die Selbstbildnisse« oder »Eva Besnyø - Photographin«.