Die Plastik Gedankenflug, von der nur drei Bronzegüsse bekannt sind, entstand 1906 in Paris und zählt zu einer von Bernhard Hoetgers wichtigsten frühen Arbeiten seiner nachimpressionistischen Schaffensphase. Ab 1905 wandelte sich sein Stil zu einer größeren, monumentaleren Auffassung. Zuvor hatte er sich noch stark an der Bildhauerei von Auguste Rodin orientiert, die er mit dem Gedankenflug überwindet. In diesem Zuge wird die bisherige unruhige Oberflächenbehandlung zugunsten größerer, einfacherer Flächen und Formen zurückgedrängt; das Zufällige, Momenthafte wird durch das Typische und Allgemeine abgelöst. Über die Werke dieser Zeit schreibt Hoetger:
„Damals beschäftigte ich mich in der Hauptsache mit der technischen Idee, so kam mir der Gedanke, daß nur eine einfache, gedrängte Oberfläche das Ideal des Plastikers und der Weltweisheit erreichen könnte. Durch diese Einfachheit wurde das Kubische in meiner Plastik geschaffen.“ (Brief an Carl Hoetger, 3.3.1944)
Im Entstehungsjahr lernte Bernhard Hoetger in Paris Paula Modersohn-Becker kennen. Auch sie entwickelte ihr Werk in dieser Zeit hin zu einer monumentalen, allgemeingültigen Auffassung. Für Gedankenflug stand wahrscheinlich die Schwester seiner Ehefrau Modell, doch geht es dem Künstler nicht um ein Porträt. Der zurückgeworfene, nach oben gerichtete Kopf will vielmehr den Flug der Gedanken veranschaulichen.
Der Sammlung der Museen Böttcherstraße fehlten bislang wichtige Arbeiten aus dieser für Hoetger entscheidenden Phase. Mit dem Erwerb von Gedankenflug durch Mittel der Waldemar Koch Stiftung konnte nun eine wesentliche Lücke geschlossen werden.