Der Jugendstil ist die erste eigenständige Kunstepoche der Moderne, die unter verschiedenen Begriffen und Ausprägungen in ganz Europa Verbreitung fand – Art Nouveau in Frankreich, Modernismo in Katalonien oder Arts and Crafts in England. Im Gegensatz zum schweren, feierlichen und mitunter pompösen Stil des Historismus, stellte der Jugendstil an der Schnittstelle vom 19. zum 20. Jahrhundert die organisch bewegte Natur und deren dynamische Kraft in den Mittelpunkt. Der deutsche Begriff »Jugendstil« verdankt seinen Namen der 1896 in München gegründeten Zeitschrift »Jugend«, die sich zum Sprachrohr der neuen Kunst machte. Linien und vegetabile Ornamente bestimmen seine ästhetische Erscheinung. In Hinblick auf Motivwahl, Komposition und künstlerische Gestaltung war der Jugendstil von der japanischen Kunst, die in ihrer europäischen Adaption als Japonismus bezeichnet wird, beeinflusst. Inhaltlich spielte der gerade um die Jahrhundertwende bedeutsame Symbolismus eine große Rolle. Wie bei früheren Epochen auch, waren die Produkte und Kunstwerke einer wohlhabenden, privilegierten Käuferschicht vorbehalten, doch wirkten sie nun leichter, freier und damit weniger staatstragend. Die Hinwendung zur Natur ging zudem einher mit der Lebensreformbewegung, die u.a. Nacktheit und Bewegung im Freien propagierte.
In Abgrenzung von der sich im Zuge der Industrialisierung anbahnenden Massenproduktion, zeichnen sich die Möbel, Vasen und sonstigen Gebrauchsgegenstände durch eine handwerkliche Qualität und meist edle Materialien aus. Entgegen einem genormten Produktionsprozess werden Symmetrien und einfacher zu produzierende rechteckige Formen vermieden, um so den Charakter von Einzelstücken zu betonen. Der Entwerfer kann den Künstler nicht leugnen. So waren bekannte Vertreter des Jugendstils wie Henry van de Velde, Peter Behrens oder der Franzose Hector Guimard zunächst Künstler oder Architekten, die die engen Grenzen der Berufe und Gattungen überwanden. In der Vorstellung eines Gesamtkunstwerks konnten sie so von der Architektur über Möbel, Tapeten und Gemälden bis hin zu den Türgriffen ein Haus entwerfen und zugleich ausstatten. Auch dies verbindet sie mit Colani, der sich nicht allein als Designer, sondern auch als Künstler und Visionär verstand.
Die Ideen und Formen des Jugendstils haben wiederholt im 20. Jahrhundert Comebacks erlebt, so in den ausgehenden 1960er und 1970er Jahren im Umkreis von Pop und Flower Power. Plakate, Plattencover oder ganze Filme wie Yellow Submarine von den Beatles zeugen von diesen v.a. formalen Anleihen. Luigi Colanis Auseinandersetzung mit dem Jugendstil geht tiefer: über rein äußerliche Bezüge hinaus ist er am revolutionären Kern dieses europäischen Stils interessiert, mit seinen Wurzeln in der Natur und seiner entgrenzenden wie spielerischen Grundidee.