Keine Frage, in der kommenden Sonderausstellung mit dem Titel „Die Maler des Heiligen Herzens“, gibt es sehr viel zu entdecken. Nicht nur, dass die fünf Künstler:Innen – im Einzelnen André Bauchant, Camille Bombois, Séraphine Louis, Henri Rousseau und Louis Vivin – bis auf Rousseau heute weitestgehend unbekannt sind. Dadurch, dass sie keine künstlerische Ausbildung absolviert haben, sind ihre Techniken und Bildsprachen so individuell und ungewöhnlich wie ihre Persönlichkeiten.
So zeigt sich der Gärtner Bauchant in einem Selbstbildnis in einem farbenprächtigen Garten, während er in seinen sonstigen großformatigen Bildern die Historienmalerei neu erfand. Camille Bombois beschäftigte sich häufig mit dem weiblichen Akt – insbesondere seiner geliebten Ehefrau, aber auch mit Jahrmarktszenen oder Landschaften. Séraphine Louis‘ formatfüllende Blätter- und Blütengebilde erscheinen wie aus einer anderen Welt und von dem für seine Dschungelfantasien bekannten Henri Rousseau sind eher unbekannte frühe Malereien zu sehen. Der letzte in der Riege ist Louis Vivin, der in seinen Bildern Stadtansichten, Landschaften oder Stillleben detailliert in Szene setzt.
Die 50 Kunstwerke der Präsentation stammen bis auf wenige Ausnahmen aus der Sammlung der Mäzenin Charlotte Zander (1930-2014), die jahrzehntelang überaus souverän Kunst jenseits des systematisierten Kanons sammelte. Von 1996 bis 2020 war die Sammlung im Schloss Bönnigheim untergebracht, wo sie in verschiedenen Ausstellungen gezeigt wurde. Nach dem Tode von Charlotte Zander brachte ihre Tochter Susanne Zander die Sammlung in eine gemeinnützige GmbH ein, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen – so wie es jetzt mit den „Malern des Heiligen Herzens“ passiert.
Zusammengeführt wurden die fünf Künstler:Innen erstmals im Jahre 1928 vom deutschen Kunsthändler und Sammler Wilhelm Uhde als „Die Maler des Heiligen Herzens (Les peintres du cœur-sacré)“. Der Titel, der jetzt übernommen wurde, kommt nicht von ungefähr: Uhde schätzte besonders die Menschlichkeit und Zugänglichkeit der Arbeiten dieser Autodidakten, die er bei akademisch geschulten Künstlern oft vermisste.
Alle Fünf wurden jahrzehntelang als so genannte „naive“ Künstler:Innen bezeichnet, ein Begriff, den Susanne Zander heute nicht mehr gelten lässt. „Es ist ja ein Begriff, der auf die Persönlichkeit des Künstlers abzielt und ihn damit herabsetzt“, sagt sie. Die Bezeichnung mag aus historischer Sicht seinerzeit seine Berichtigung gehabt haben, so Zander weiter, aber: „Heute sollten wir diese Kategorie nicht mehr anwenden – wir sollten vielmehr zwischen guter und schlechter Kunst unterscheiden.“
Wenn man einen neuen Sammelbegriff für diese Art von Kunst benutzen wollte, so Zander, könnte man von „Working Class Art“ sprechen: „Sie waren Postbote, Gärtner oder Straßenarbeiter. Séraphine Louis war Uhdes Haushälterin. Aber: Sie fühlten sich alle berufen, KünstlerInnen zu sein.“ Und das seien sie gewesen, so Zander weiter: „Jeder einzelne war ein komplett eigenständiger Künstler und mit großer Leidenschaft bei der Sache.“
- Autor Frank Schümann