Paula Modersohn-Becker (1876–1907) hat als eine der wenigen Frauen Wesentliches zur Entwicklung der Kunst der klassischen Moderne beigetragen und gilt heute als Pionierin in der Malerei. Zwar liegen ihre künstlerischen Wurzeln in Worpswede, doch sie erkennt sehr bald, dass die Enge der Künstlerkolonie mit den ästhetischen und thematischen Konventionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts sie nicht weiterbringt: In der Silvesternacht 1900 bricht sie erstmals nach Paris auf. Die pulsierende Kunstmetropole lässt sie nicht los und so zieht es sie in den ihr noch verbleibenden sieben Lebens- und Schaffensjahren weitere drei Male in die Stadt an der Seine. Dort holt sie sich die Inspirationen sowohl im Louvre beim Studium der alten Meister und antiker Bildwerke als auch bei Künstlerkollegen wie Auguste Rodin, Paul Cézanne oder Paul Gauguin.
Paula Modersohn-Beckers Bilder zeugen von der Suche nach der großen Einfachheit der Form, die sie vor allem in den Jahren kurz vor ihrem viel zu frühen Tod meisterhaft umzusetzen verstand. Doch war es gerade diese grobe, runenhafte Ausdrucksweise, die bei vielen Zeitgenossen auf Unverständnis stößt. Anlass dazu gaben unter anderem ihre Kinderbildnisse. Denn im Gegensatz zu den über Jahrhunderte hinweg liebreizenden, engelsgleichen dargestellten Geschöpfen, entfernt sie sich drastisch von diesen traditionellen Erwartungen. Paula Modersohn-Becker strebte die Reduzierung komplexer Bildgegenstände an, wobei ihr Schwerpunkt auf weiblichen Figuren und Selbstporträts lag. In diesen befragt sie sich immer wieder neu und schuf mit dem Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag 1906 schließlich eine Inkunabel der Kunstgeschichte, den ersten Selbstakt einer Frau.
Die Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Krems erstellt wurde, bot einen Überblick über das Lebenswerk der Künstlerin, die trotz der kurzen Schaffenszeit ein erstaunliches Spektrum an Werken hinterlassen hat. Besonders erfreulich waren die Leihgaben privater Sammler, die es ermöglichten, Bilder zu zeigen, die nie zuvor in Bremen zu sehen waren. Ein weiteres Highlight war ein Gemälde Paula Modersohn-Beckers, das als Neuzugang der Museumssammlung dem Publikum erstmalig präsentiert wurde. So bot die Ausstellung auch für Kenner der Künstlerin neue und spannende Blicke.