Die Farbe als Spiegel der Seele: Ernst Ludwig Kirchner, Expressionist der ersten Stunde, verlieh seinen Gefühlen in Druckgrafiken von rauschhafter Farbigkeit Ausdruck – ob empfindsam zart oder radikal und ungestüm. Die farbige Druckgrafik nimmt im Werk Ernst Ludwig Kirchners (1880–1938) einen besonderen Stellenwert ein: Von den über 2.000 Druckgrafiken, die der Künstler zeit seines Lebens schuf, gestaltete er etwa 200 in Farbe.
Die ersten farbigen Drucke stammen aus der Zeit kurz vor der Gründung der Künstlergruppe Brücke, als Kirchner noch Architekturstudent in Dresden war. Diese frühen Werke mit ihren weichen Konturen sind von eleganter Leichtigkeit. Die zwischen 1911 und 1916 in Berlin entstandenen Arbeiten dagegen zeigen mit schonungsloser Offenheit das Großstadtleben. Das spätere Schaffen lässt mit scharfkantigen Formen und maskenhafter Darstellung exotische Einflüsse und Kirchners Begeisterung für das Werk Picassos erkennen.
Nicht nur durch den expressiven Gebrauch der Farbe faszinieren diese Werke, sondern auch als Dokumente der experimentellen Arbeitsweise Kirchners: Er wollte alle Abzüge selbst herstellen, ohne die Unterstützung eines professionellen Druckers. So entstanden kleine Serien, oft nur drei oder vier Abzüge von einem Motiv. Manche in gänzlich neuen Farben, andere in abgeschwächten Variationen. Kirchner experimentierte mit allen Techniken: Holzschnitt, Lithographie, Radierung.
Anlässlich des 70. Todestages Ernst Ludwig Kirchners zeigte das Paula Modersohn-Becker Museum in Zusammenarbeit mit dem Brücke-Museum Berlin mehr als 80 farbige Druckgrafiken aus allen Schaffensphasen.
© Ernst Ludwig Kirchner: Ingeborg und Dr. Wolfgang Henze-Ketterer, Wichtrach/Bern