Elfriede Stegemeyer – elde steeg. Doppelleben einer Avantgardistin
10.10.2010 ‐ 9.1.2011
Elfriede Stegemeyer (1908–1988) gehört der zweiten Generation von Künstlerinnen an, die einen wesentlichen Beitrag zur modernen Kunst beigetragen haben - ein Jahr nach Paula Modersohn-Beckers Tod wird sie geboren. Vom fünften bis zum 21. Lebensjahr lebt Elfriede Stegemeyer in Bremen, wo ihr Vater als technischer Direktor für Kaffee HAG tätig ist, die Firma ihres Onkels Ludwig Roselius. Der Lebensweg der Künstlerin ist somit eng mit der Geschichte der Kunstsammlungen Böttcherstraße verbunden.
Während ihres Studiums in Berlin und Köln bewegt sich Elfriede Stegemeyer in dadaistischen Kreisen und schließt sich den Kölner Progressiven an, die einen prägenden Eindruck bei ihr hinterlassen. Künstler wie Raoul Ubac, Otto Freundlich, Franz Wilhelm Seiwert und Heinrich Hoerle zählen zu ihren Weggefährten.
Zwischen 1932 und 1938 konzentriert sich Elfriede Stegemeyers Arbeit auf die Fotografie in der Tradition der ›Neuen Fotografie‹. Im Mittelpunkt steht die Analyse von formalem und ästhetischem Potential alltäglicher Gegenstände oder vorgefundener Strukturen in der Natur. Im Jahre 1935 fotografiert sie gemeinsam mit Raoul Hausmann auf Ibiza.
Der Nationalsozialismus, gegen den sie im Untergrund Widerstand leistet, hindert die Künstlerin an der geplanten Fortführung ihres Studiums am Bauhaus in Dessau und zwingt sie letztendlich zum künstlerischen Rückzug. Bei einem Bombenangriff auf Berlin 1943 wird ein Großteil ihres Werks zerstört. Nach Kriegsende widmet sich Elfriede Stegemeyer unter dem Pseudonym elde steeg verstärkt der Malerei und Zeichnung und experimentiert mit surrealistischen und konstruktivistischen Ausdrucksweisen. 1974 siedelt sie nach Innsbruck über und arbeitet dort bis zu ihrem Tod.
Schon früh zeichnet sich Stegemeyers Interesse an Strukturen und Vernetzungen ab, die sich durch ihr gesamtes künstlerisches Oeuvre ziehen. Das gilt für die figurativen Arbeiten des Frühwerks ebenso wie für die abstrakten Kompositionen des Spätwerks, die oftmals stark an Mikroskop-Aufnahmen biologischer Systeme oder Zellstrukturen erinnern. Netze, Durchbrüche, Gitter, Linien, Spiegelungen sind immer wiederkehrende Motive.
Die Ausstellung zeigt erstmalig die Bedeutung von Strukturbildungsprozessen im Gesamtwerk Elfriede Stegemeyers auf: Fotografien aus dem Frühwerk sowie Gemälde, Zeichnungen und dreidimensionale Objektbilder aus dem Spätwerk stellen visuelle Korrespondenzen her. Auch der Experimentalfilm Kaleidoskop, der 1956 bei den internationalen Filmfestspielen von Venedig im Rahmen der Biennale eine Auszeichnung erhielt, ist in der Ausstellung zu sehen.